«Keine Situation ist wie die andere»
3. Juli 2025
Die Palliative Care beginnt mit einer Diagnose, die das Leben begrenzt. Was danach kommt, ist offen. Meine Arbeit beginnt mit Zuhören. Ich möchte mein Gegenüber verstehen – die Situation, die Fragen, die Wünsche. Es geht mir um eine individuelle Begleitung. Ich will herausfinden, was wichtig ist.
In der Gesundheitswelt Zollikerberg betreue ich als Pflegeexpertin Palliative Care Menschen in der Langzeitpflege sowie in Alterswohnungen. Jeder Tag sieht anders aus, jeder Mensch hat andere Bedürfnisse. Das gefällt mir sehr an meiner Arbeit.
Ich liebe die Vielfalt, die Nähe zu den Menschen und das selbständige Wirken. Intuition und Erfahrung helfen mir, mein Gegenüber wahrzunehmen und auf Bedürfnisse einzugehen. Immer geht es in erster Linie darum, eine Situation richtig einzuordnen, herauszufinden, was es wirklich braucht von meiner Seite. Vor meinem inneren Auge habe ich einen Kriterienkatalog, der mir hilft, hinzuschauen, hinzuhören und die gewünschten Massnahmen abzuleiten. Keine Situation ist wie die andere. Es braucht Fingerspitzengefühl. Und eine Haltung, die den Menschen ins Zentrum stellt.
Palliative Care wird in verschiedenen Bereichen der Gesundheitswelt Zollikerberg angeboten. Vom Spital über «Visit Pflege Zuhause» bis zur Altersarbeit. Ich arbeite eng zusammen in einem Team aus Pflegefachpersonen, Ärzt:innen, Seelsorgenden, Aktivierungstherapeutinnen, Musiktherapeutinnen Physiotherapeut:innen und neu auch mit Sozialbegleitenden. So entsteht eine ganzheitliche Sichtweise mit individueller Herangehensweise.
Dr. Katja Albrecht, leitende Ärztin mit Schwerpunkt Palliativmedizin, ist verantwortlich für die Palliativstation und für «Visit Pflege Zuhause». Stiftungsweit ist Sabine Millius für das Thema Palliative Care verantwortlich. Sie leitet die Fachgruppe, die sich viermal jährlich zum Austausch trifft und gemeinsame Projekte umsetzt. Letztes Jahr entstand so zum Beispiel eine Veranstaltung für den Freundeskreis der Stiftung.
Im vergangenen Jahr habe ich das Aromapflegekonzept eingeführt. Für mich ist die Aromapflege eine wertvolle Ergänzung der Pflege. Sie kann beruhigen, stärken oder einfach guttun. Oft entsteht ein Moment des Wohlbefindens. Aromapflege soll Beschwerden lindern, das Immunsystem unterstützen und ich sehe es als Bereicherung und Aufwertung der pflegerischen Tätigkeit. Die Anwendungen können eine beruhigende oder anregende Einreibung umfassen. Oder eine Raumbeduftung, die positive Erinnerungen hervorrufen kann. Ich gebe auch Workshops dazu, die gut ankommen bei den Mitarbeitenden.
Früher habe ich auch junge Menschen im Sterbeprozess begleitet. Oftmals waren das sehr emotionale Situationen, das ging mir nahe. Der Austausch, die Unterstützung vom Team oder ein Ritual haben mir jeweils sehr geholfen, damit umzugehen.
Auch hier im aktuellen Job tausche ich mich regelmässig aus mit Ursula Wiesli, Pflegeexpertin APN (Advanced Practice Nurse). Das ist sehr wertvoll. Wir organisieren auch Gefässe wie Fallbesprechungen oder Praxiseinsätze auf den Stationen.
Alte Menschen sind Lebensexpert:innen und haben viel erlebt, viel zu erzählen. Oft sind sie aber einsam und stehen dem Vertrauen und der Nähe, die ich ihnen biete, aufgeschlossen gegenüber. Da spüre ich viel Dankbarkeit. Das ist unbezahlbar und macht für mich das Reichhaltige dieser Arbeit auch aus.
Einblick in meinen Arbeitsalltag
Ich starte meist mit einem kurzen Blick in meine Mails und setze danach Prioritäten für den Tag. Auf dem Weg durchs Haus erkundige ich mich nach Neueintritten oder nach neuen palliativen Situationen. Vielleicht hat eine Bewohnerin schlecht geschlafen. Vielleicht ist jemand stiller als sonst oder hat einfach einen schwierigen Tag. Bei Bedarf schaue ich vorbei für ein kurzes Gespräch.
Später bin ich unterwegs zu einer Spitex-Klientin. Ihr Sohn ist ebenfalls da. Wir sprechen darüber, wie es weitergehen könnte. Kann die Klientin mit Unterstützung zu Hause bleiben oder braucht es neue Lösungen? Wir besprechen Möglichkeiten. Noch bevor wir eine Entscheidung treffen können, stürzt sie und kommt ins Spital. Zwei Wochen später sitze ich mit ihr, dem Stationsarzt, der Pflegeexpertin APN und dem Sohn beim Austrittsgespräch. Gemeinsam finden wir einen Weg, wie sie in ihre Alterswohnung mit angepasster Betreuung zurückkehren kann.
Am Nachmittag leite ich einen Workshop zur Aromapflege in unserer Jurte. Es wird ausprobiert, gefragt und erklärt. Theorie verbindet sich mit Praxis. Die Teilnehmenden tauchen ein in Duftwelten mit Lavendel, Zirbelkiefer und Bergamotte.
Am Tag darauf steht eine Fallbesprechung an. Jean-Daniel Strub vom Institut Neumünster Park übernimmt die Moderation. Im Fokus steht das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Selbstbestimmung. Solche Begegnungen werfen Lebensfragen auf und zeigen, wie wertvoll das gemeinsame Nachdenken ist.
Am Abend nehme ich mir einen Moment für mich. Ich lasse den Tag Revue passieren, manchmal zusammen mit meiner Vorgesetzten Rahel Wyss. Wir ordnen Gedanken, setzen neue Prioritäten und nehmen auch viel mit. Meine Arbeit gibt mir viel, sie berührt und stärkt mich.
Was mir wichtig ist
Menschen so zu begleiten, wie sie es brauchen
Auch das zu hören, was unausgesprochen bleibt
Im Team zu arbeiten – gemeinsam, nicht nebeneinander
Zeit zu haben. Und sie sich bewusst zu nehmen
Kleine Dinge möglich zu machen: ein Gespräch, eine Duftreise, ein Spaziergang
Palliative Care in der Gesundheitswelt Zollikerberg
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